Falkensteiner Bockerl: Vor 20 Jahren endete die Fahrt

Deutsche Bahn: „Menschenleere Geisterzüge“ / Heute Radweg

Von Ralf Strasser, MZ

WENZENBACH. Das Bockerl schnauft und rattert durch die wild-romantischen Wälder bei Wenzenbach. Weißer Qualm kommt aus dem Schornstein. Der Lokomotivführer lässt das Dampfhorn ertönen, um zwei Rehe von den Gleisen zu verscheuchen. Während die Passagiere auf den Holzbänken ratschen oder die langsam vorbeiziehende Landschaft beobachten, wacht der Schaffner derweil mit einem Auge darüber, dass das Schild „Blumen pflücken während der Fahrt verboten“ auch wirklich befolgt wird.

So oder ähnlich könnte es in verklärter Erinnerung gewesen sein, als die Lokalbahn zwischen Regensburg und Falkenstein noch regelmäßig Fahrgäste, Holz, Steine und Vieh beförderte.

Die Geschichte der Lokalbahn nach Falkenstein begann mit der Eröffnung 1913. Doch was wie eine Erfolgsstory aussah, konnte sich letztlich gegen den modernen Individualverkehr nicht behaupten und endete am 2. Juni 1985 mit der Stilllegung der Bahnstrecke.

Aus der Bahnlinie ist ein Fahrradweg geworden. An den Bahnbetrieb erinnern jedoch nicht nur die Kilometersteine, die dem Radler zuverlässig alle 200 Meter begegnen, sondern auch einige noch erhaltene Bahnhöfe. Ein besonderes Beispiel ist Hauzendorf, das von der Familie Forster liebevoll renoviert und in einen „Radlbahnhof“ umgestaltet wurde. „Dort wo jetzt der Biergarten ist, war früher ein große Viehumladestation,“ weiß Bürgermeister Xaver Graf aus Hauzendorf. An die Dampfnostalgie vergangener Tage hat Graf noch viele ausgeprägte Erinnerungen: „Wenn man aus Wenzenbach heraus durch´s Felsental fuhr, war das herrlich, richtig abenteuerlich“, schwärmt er noch heute von der reizvollen Streckenführung.

Nach zwölf Jahren Vorbereitung durch das „Eisenbahn-Comitee Falkenstein“ wurde die Strecke nach einem Jahr harter Knochenarbeit am 21. Dezember 1913 bei eisiger Kälte mit der ersten Fahrt eröffnet.
„Mein Großvater,“ erzählt der Ex-Eisenbahner und Gemeinderat Helmuth Hartl aus Wenzenbach, „war beim Bau der Strecke als Arbeiter dabei und das waren verwegene Burschen. Da wurde schon mal gestreikt, wenn es kein Bier gab – bei einer Bezahlung von umgerechnet 1 Euro und 50 Cent kein Wunder.“

Die Strecke boomte, zum Teil waren die Personenzüge zu 120 Prozent ausgebucht. Der Landkreis war wirtschaftlich und kulturell an die „große weite Welt“ angeschlossen. Auch für den Tourismus sollte es wirtschaftliche Impulse geben. Helmuth Hartl erinnert sich gerne an die „gute, alte Eisenbahnerzeit“ zurück. „Für mich war die Bahn als Jugendlicher eine sportliche Herausforderung,“ sagt der heute 56-Jährige, der in Wutzlhofen das Eisenbahnhandwerk von der Pike auf gelernt hat. „Ich brauchte keine Fahrpläne. Immer wenn ich die Lok in Bernhardswald pfeifen hörte, bin ich vom Schönberg zum Bahnhof gelaufen, ich habe nie einen Zug verpasst.“

Mit der Zunahme des Individualverkehrs nahm die Anzahl der Passagiere jedoch kontinuierlich ab, zuletzt waren es 172 Reisende die werktags die Lokalbahn benutzten. Zu wenig, um die Strecke wirtschaftlich zu erhalten, meinte die Deutsche Bahn. „Pausenlos wurde zugesperrt, meistens hab´ ich buchstäblich als Letzter das Licht ausgemacht,“ erzählt Bahnpensionist Lorenz Auburger aus Hackenberg. „Zum Schluss fuhr der Triebwagen nur noch bis Wenzenbach, ab da ging es dann mit Bussen weiter.“

72 Jahre nach der Eröffnung kam das „Aus“, die Strecke wurde stillgelegt. Die Deutsche Bahn begründete diese Entscheidung mit „menschenleeren Geisterzügen“. Helmuth Hartl hat bis zum Schluss gegen die Einstellung der Nebenbahn gekämpft. „Man hat die Lage vollkommen falsch eingeschätzt. Heute hätten wir eine funktionierende S-Bahnverbindung.“

Für viele ein bitteres Ende, doch für Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer auch eine Geschichte mit Happy End, schließlich haben die „Vorwäldler“ einen der schönsten Radwege Bayerns vor der Haustüre..

Bildquelle: „Das Falkensteiner Bockerl“ (erhältlich im Buchverlag der Mittelbayerischen Zeitung

Mittelbayerische Zeitung vom 1.6.2005