Epoche lII

1949 – 1970

Frühe Bundesbahn (D)- und Reichsbahn (DDR)-Epoche

Voneinander unabhängiger Aufbau und Modernisierung des Eisenbahnwesens in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.

Phase des Strukturwandels durch den Ausbau des Diesel- und elektrischen Zugbetriebs und allmähliche Abnahme der Dampflok-Zugförderung.

Entwicklung eines modernen Fahrzeugparks und neuer Sicherungstechnik.

Von den 50er bis 70er Jahren fuhren drei Personenzüge von Falkenstein nach Regensburg. Der erste Personenzug (Ankunft in Regensburg gegen 6.20 Uhr) beförderte meist Arbeiter. Viele von ihn stiegen an der Station Regensburg- Walhallastraße aus, da sie in dem am Bahnhof liegenden Kalkwerk oder in der Holzfirma Richtberg arbeiteten.

Bei Vorlage eines vom Arbeitgeber abgestempelten Arbeitsnachweises stellte die Bundesbahn Wochenkarten, in Rezessionszeiten sogar „Kurzarbeiterwochenkarten“ für drei bzw. vier Tage aus. In den 50er Jahren kauften manche Falkensteiner preisgünstige Fahrkarten beim Pfarrer Heigl, da dieser die verbilligten Sechser- Kartenblöcke am Bahnhof im Voraus erwarb und sie dann an die Falkensteiner weiterreichte.

An Samstagen stiegen in den Frühzug auch Marktfrauen aus Roßbach, Lambertsneukirchen und Wenzenbach mit großen Körben zu. Manche sollen dann bereits im Zug mit Eiern, Schmalz und Gänsen gehandelt haben. Mit dem zweiten Personenzug kamen vor allem Verkäuferinnen und Schüler gegen 7.30 Uhr in Regensburg an. Eine Stunde darauf lief ein Schienenbus, der ab Wenzenbach nach Aussagen eines Zugführers stets zu 120% besetzt war. Ein Schienenbus ohne Anhänger brachte in den 70er Jahren zu später Stunde die Kinogänger von Regensburg nach Hause zurück.

Daran, daß in den Pendlerzügen zwischen den Fahrgästen und dem Personal ein „gutes Verhältnis“ bestand, daß man sich kannte, sich fühlte wie „eine große Familie“, wo dem Schaffner hin und wieder „alle Sorgen“ erzählt wurden, erinnern sich heute noch die Eisenbahner von damals.

An den Sonntagen stürmte der Ausflugsverkehr die Züge, insbesondere den „Schwammerl-Expreß“, mit dem Hunderte von Regensburger zu ihren „Plätzen“ eilten. Erwähnenswert sind noch die Pilgerzüge nach Altötting zu Beginn der 1950er Jahre. Die Züge waren dermaßen lang, daß sie im Falkensteiner Bahnhof eine bahnüberquerende Straße blockierten. Den langen Pilgerzügen wurden jeweils eine Zug- und Schublok beigegeben.
Claus-Jürgen Wincke, der als Siebenjähriger aus dem bombengefährdeten Hamburg nach Falkenstein kam und heute wieder in Hamburg lebt, erinnert sich gern an die Jahre, die er dort zwischen 1943 und 1951 verbrachte. Unvergessen bleiben für ihn in den Kriegsjahren die Abschiedsszenen am Bahnhof Falkenstein, als die Eltern ihre uniformierten Söhne zum Bahnsteig brachten. Noch lange winkten sie dem ausfahrenden Zug nach, bevor sie langsam und traurig wieder heimgingen. Nach Kriegsende warteten dann die Angehörigen auf die einlaufenden Züge mit den Kriegsheimkehrern. Stieg der Vater, Sohn oder Bruder mit dem Seesack auf der Schulter aus, kam Jubel und Freude auf. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich dann die Kunde, welche Männer aus dem Krieg wieder zurückgekehrt wären.

Der Bahnhof war auch noch Anfang der 1950er Jahre für viele Falkensteiner das Ziel ihres Spazierganges, um die Ankunft des Abendzuges aus Regensburg zu verfolgen. Die Spaziergänger beschleunigten im Markt ihre Schritte, sobald sie den Zug pfeiffen hörten. Der erste Pfiff, vor dem Bahnübergang „Winkling“, war nur sehr leise wahrzunehmen. Der folgende Pfiff ertönte wesentlich lauter und nach dem dritten schloß sich sofort das Fahrgeräusch des Zuges an, da er nun den Wald verließ. Sobald der Zug im Einschnitt hinter dem Friedhof wieder verschwand und bevor er über die Brücke bei der alten Badeanstalt wieder zum Vorschein kam, verstummten auch seine Bremsgeräusche.

Claus-Jürgen Wincke erinnert sich noch gut, wie er vom Burgturm aus den einlaufenden Zug beobachten und das Pfeiffen der Dampflokomotive hören konnte. Dem Schüler fiel damals auf, daß der Pfeiffton wesentlich später als das Austreten des Dampfes aus der Dampfpfeiffe der Lokomotive zu vernehmen war.

Die Pfeiffsignale der Lokomotiven und Triebwägen hatten natürlich ihre Bedeutung. So kreuzte zum Beispiel ein Güterzug den nach Regensburg fahrenden Mittagstriebwagen an der NE-1-Trapeztafel. Der wartende Güterzug gab ein Pfeiffsignal und der Triebwagenführer am Bahnhof Falkenstein gab durch ein weiteres Pfeiffsignal zu erkennen, daß der Güterzug einlaufen könne. Diese Pfeiffsignale ertönten auch bei Zugbegegnungen in Roßbach oder in Hauzendorf.

Zum abendlichen Straßenbild Falkensteins gehörten die Eisenbahner in ihrer Uniform. Das Personal der letzten beiden Abendzüge übernachtete nämlich im Bahnhofslokschuppen. Doch vorher führte der Weg erst einmal zum Markt, um dort vielleicht ein Glas Bier zu trinken.

Herrschte im Sommer in Falkenstein Wasserknappheit, so konnte die Dampflokomotive nicht am Wasserkran neben dem Lokschuppen Wasser fassen. Es wurde dann ein zusätzlicher Wasserkran in der Nähe des Schwimmbades errichtet, aus dem das Wasser für die Dampflokomotive entnommen wurde. Wincke erinnert sich noch sehr genau, daß man auf diesen schwarzgestrichenen Rohren, in denen das Wasser zum Wasserkran gepumpt wurde, sehr gut sitzen konnte. Die Rohre wurden richtig heiß, wenn die Sonne stundenlang darauf schien, aber sie erkalteten abrupt in dem Moment, wann die Lokomotive mit Wasser gespeist wurde.

In den Zügen am Morgen hatte jeder Pendler seinen Stammplatz. Im Vorderteil des ersten Eisenbahnwagens saßen stets die Nichtraucher.

Während auch die Inhaber von Wochen- und Monatskarten die Bahnsperre passieren mußten, konnte ein Fahrgast immer über den Bahnübergang frei zum Bahnsteig treten. Er, Herr Karl Köstler, arbeitete nämlich bei der Bahn in Regensburg und war dem Bahnhofspersonal, das sonst die Fahrkarten lochte, persönlich bekannt. Herr Köstler war ein sehr geselliger Fahrgast und schreckte während der Fahrt manche Kinder: „Holt’di fest, jetzt kimmt der Graben !“

Zu den täglichen Fahrgästen im zweiten Frühzug zählten auch die Arbeiter der Gleisrotte. Der Streckengeher, Herr Wasulewski, war regelmäßig in diesem Zug zu sehen.

In Regensburg beobachtete der „Fahrschüler“ Claus-Jürgen Wincke immer wieder das Ankuppeln der Dampflokomotive an den Personenzug. Den jungen Rangieranwärtern wurde dabei gesagt, das Falkensteiner „Bockel“ nicht zu eng zu kuppeln, denn die zahlreichen Kurven der Strecke würden eine lockere Hängung erfordern.

Nicht weniger bedeutend als der Personenverkehr war der Güterverkehr. Nach 1945 brachten die Güterzüge Braunkohle aus Aachen und aus der späteren DDR, Kunstdünger, Kalk, Baumaterialien, Landmaschinen und in einem eigenem Waggon Petroleumfässer und anderes Feuergut. Zurück nahmen die Güterzüge Langholz, Steine, Getreide, Kartoffel und v. a. Vieh. In den Sommermonaten standen Hunderte mit Heidelbeeren oder Pfifferlingen gefüllte Körbe auf den Bahnhofsrampen und warteten auf ihre Reise in deutsche Städte.

Bis 1965 lief am Zug ein unbemannter einachsiger Postanhänger mit. An den Bahnhöfen warteten dann die Postverteiler auf ihre Post.

Zwei Eisenbahner erinnern sich, was an den einzelnen Bahnhöfen so verladen wurde. Vom Großviehmarkt in Falkenstein gingen Viehladungen bis nach Frankfurt. Die Viehhändler kauften in der Umgebung Ochsen auf und verschickten sie dann in zwei bis drei Waggons. Für den Viehtransport um 17 Uhr standen die Viehhändler bereits um 15 Uhr am Bahnhof, wo sie das Vieh markierten und dann durch ein Gatter über eine Ladebrücke von der Viehverladerampe in die Waggons verluden. Meist waren es sehr alte Waggons mit Flachdach, die für die Viehtransporte verwendet wurden. Abspreitzbügel innerhalb des Waggons sollten das Verrücken der Viehladung verhindern. Am Montag wurde Kleinvieh, am Dienstag Großvieh in die Viehkurswagen verladen. Schweinen soll hin und wieder die Flucht vor der Bahnfahrt in den Regensburger Schlachthof kurzzeitig gelungen sein. Einem Stier redete man einmal in Falkenstein zwei Stunden vergebens zu, den Waggon zu besteigen. Als jedoch die Betriebssirene der angrenzenden Feuerlöscher- Fabrik nach der Mittagspause ertönte, flüchtete das Tier in schnellen Sätzen in den Zug.

In Falkenstein standen zwei Lagerhäuser am Bahnhof. Das Lagerhaus Griesbeck, 1979 durch einen Brand zerstört, betrieb u. a. die saisonale Verfrachtung der Waldfrüchte. Das Lagerhaus Griesbeck hatte mit der Deutschen Bundesbahn einen Vertrag geschlossen, daß jede Beerenfracht innerhalb 24 Stunden jede beliebige Stadt in Deutschland erreichen müsse. Anfang der 1950er Jahre verließen zu Spitzenzeiten drei bis vier mit Heidelbeeren und Pfifferlingen beladene Waggons den Bahnhof. An einem Tag wurden einmal 128 Zentner Pfifferlinge und 1500 Eimer zu je 10 Kilogramm Heidelbeeren verladen. Mit Angst erwartete man in Regensburg den Falkensteiner Triebwagen, der dort umzuladen war.

Das Lagerhaus der Baywa dagegen handelte mehr mit Landmaschinen, Weizen und Kohlen. In Falkenstein befand sich eigens eine Kopf- und Seitenrampe, auf denen die neu angekommenen Dreschwägen und Heuwender ebenerdig von den Waggonladeflächen gefahren werden konnten. Die Baywa bezog auch Kalk, der in geschlossenen Waggons unverpackt ankam. In den Jahren 1950 bis 1965 wurden v.a. auch die Bavaria-Feuerlöscher der Firma Loos verladen, die ihre Fabrik unmittelbar gegenüber dem Bahnhof hatte. Ebenfalls für den Abtransport wartete das auf dem Holzlagerplatz liegende Holz. Es war meist als bereits nach Maßen geschnittenes „Stempelholz“ am Bahnhof angelangt, wurde dort mit Schnitteisen geschält und dann verladen. Eine Gleiswaage und ein „Profilgalgen“ (= Lademaß) waren dafür vorhanden.

Ein einmaliges Ereignis in den Kriegsjahren des 1. Weltkrieges war wohl der Abtransport eines abgestürtzten Flugzeuges aus Falkenstein.

Auf dem Freiladegleis in Falkenstein wurden weitere Güterwaggons abgestellt, z. B. die Kohlenwaggons, die für die Brauerei WiesenfeIden gedacht waren.

Selten kam in Falkenstein ein Kesselwagen an, erst als die Nachfrage nach Heizöl einsetzte, war hin und wieder einer zu leeren. Noch seltener war ein Kühlwagen zu sehen, man erinnert sich, daß einmal um 1955 ein Kühlwagen mit halb verrotteten Bananen auf dem Bahnhof von Falkenstein stand. Einem Güterzug waren fünf Männer zugeteilt: Der Lokführer (mit Heizer bei Dampflokomotiven) und der Güterzugführer mit Rangierer, Hemmschuhleger und Ladeschaffner, die im Güterzug-Packwagen mitfuhren.

In Falkenstein kamen die Züge mit dem Schornstein voraus an, fuhren dann aber mit dem Kohlenkasten voran nach Regensburg zurück, da sie am Bahnhof nicht wenden konnten. Auf dem Bahnhofsgelände von Falkenstein lagen vier Bahngleise. Der Zug fuhr auf dem Streckengleis ein. Im Empfangsgebäude meldete der Zugführer den Zug an. Dann folgte das Zerlegen des Güterzuges. Mit dem Güterpackwagen wurde die Lok vom Güterzug abgekoppelt. Der Packwagen wurde auf Gleis 4 abgestellt. Die Lok umfuhr dann den Zug, setzte sich hinten an und begann mit dem Rangieren, das rund 30 Minuten bei einem gut bestückten Güterzug dauerte. Zwei Männer mußten mit Fähnchen den Bahnübergang absichern, wenn Güterwaggons zum Baywa Lagerhaus geschoben wurden. Die wichtigste Weiche war in Falkenstein die Weiche Nr. 13. Abergläubische geben dieser Weiche die Schuld der später vorgenommenen Streckenauflösung. Im Falkensteiner Bahnhof taten der Bahnhofsvorstand (u. a. Reis, Schuba, Seelig, Schambeck) und drei Bedienstete ihre Arbeit. Sie verkauften Fahrkarten, schrieben die Frachtzettel, bewerkstelligten die Güterhallenauslieferung oder kurbelten Waggons auf die Waage. Mit dem Expressgutverkehr kamen meist Maschinenersatzteile, Sauerstoff- und Gasflaschen an. Die übrigen Frachten wurden als Stückgut befördert. Übrigens konnten damals drei Gogomobile auf einem Eisenbahnwaggon verfrachtet werden, bei dieser Mengenbestellung übernahm damals die betreffende Herstellerfirma die Frachtkosten.

Eine in Falkenstein über Nacht abgestellte Dampflokomotive wurde in Ruhefeuer gehalten, ein erneutes Startheizen hätte zu lange Zeiten benötigt und außerdem die Stehbolzen des Kessels durch die physikalischen Kälte-Hitze-Spannungen stark beansprucht. Vorher wurde die Dampflokomotive über die mit Wasser gefüllte Löschgrube gefahren, wo die Schlacke abgelassen wurde.

Der Bahnhof in Gfäll, von einem Mann betrieben, war der längste aller auf der Strecke befindlichen Bahnhöfe. In Gfäll wurden hauptsächlich Vieh und Schwarzbeeren verladen. Der Güterverkehr des Haltepunktes Schillertswiesen wurde über den Bahnhof Falkenstein abgewickelt. Am Bahnhof Hetzenbach wartete Vieh und Holz auf seine Verladung. Auf dem im Forst liegenden Verladegleis wurde nur Langholz verladen.

Ein großer Verladebahnhof war Roßbach. Vieh, Holz, Getreide und vor allem Steinladungen der drei Steinbrüche verließen den Bahnhof. Granitblöcke wurden mit Kränen, Pflastersteine mit der Hand von den Rollwägen der 2400 Meter langen, firmeneigenen Feldbahn auf die Güterwaggons verladen. Schotter fiel direkt vom Förderband in die Waggons. Im Jahr 1935 stechen die enormen Wagenladungen „für Zwecke der Reichsautobahnen“ ins Auge. Ganze 8743 Tonnen Steine verließen für Hitlers Hochbauten den Ort Roßbach. Ein Eisenbahner kann sich noch gut an die 1. Maifeier erinnern, als die Nazifunktionäre von einem Potest auf der Güterhallenrampe große Reden zu schwingen pflegten.

Während auf der einen Seite der Bahn die Steinverladung abgewickelt wurde, lagen auf der anderen Seite die Holzladungen der Firma Richtberg, die in der Umgebung große Waldbesitzungen hatte.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit ging ein Waggon mit 50-Liter-Milchkannen nach Regensburg, denn die Bauern waren verpflichtet, Milch an das Milchwerk Regensburg zu liefern.

Bei Roßbach verlief die „Schwarzbeerengrenze“, am Bahnhof standen oft 50 Eimer Schwarzbeeren, die die Händler den pflückenden Frauen abgekauft hatten. Erwähnenswert ist noch, daß das Kloster Reichenbach wöchentlich eine Kohlenladung für seine Brauerei und Wäscherei erhielt. Die Kohlen schafften dann Behinderte der Anstalt auf Pferdefuhrwerken weg.

In Hauzendorf erhielt das Baywa-Lagerhaus durch die Bahn Kohlen und Landmaschinen. Vieh, Getreide und Kartoffeln dagegen verließen den Bahnhof. In Erlbach wurde Flußspat verladen.

Abschließend ist festzuhalten, daß über 60 Jahre die gleichen Güter mit der Lokalbahn transportiert wurden, die Pfarrer Kilger bereits im Jahr 1907 als wünschenswert und lebensnotwendig für die Gegend in seinem Bittgesuch aufführte.