Der Einsatz hat sich gelohnt
Im Jahr 1908 wurde die Lokalbahn Wutzlhofen – Falkenstein dann tatsächlich in den Gesetzentwurf aufgenommen, nachdem der Landtag am 26. Juni die Regierungsvorlage zum Bau weiterer Lokalbahnen genehmigt hatte.
Vorausgegangen waren mehrere Berechnungen und Kalkulationen seitens der Regierung.
Es gibt eine allgemeine Kostenbeschreibung, die anfangs hauptsächlich die Situation im bayerischen Vorwald und die Beschreibung der Notwendigkeit einer Verkehrsanbindung beschreibt:
„Nachstehend sind die Kosten einer Lokalbahn von Wutzlhofen nach Falkenstein auf Gund eines alllgemeinen Entwurfes basierend. Die Bearbeitung des Entwurfes erfolgte auf Rechnung der Interessenten.“
Bemerkenswert ist, daß die „Interessenten“ die Kosten aufgebracht haben. Der Inhalt des Textes läßt darauf schließen, daß es hier hauptsächlich darum ging für die Sache an sich bei der Regierung Werbung zu betreiben. Es sollten die Vorteile einer wirtschaftlichen Anbindung des Zentrums des bayerischen Vorwaldes an den Raum Regensburg hervorgehoben werden.
Im Jahre 1906 ging es dann offenbar richtig zur Sache. Es wurden Kostenaufstellungen gemacht und die Gesamtkosten der zu erstellenden Bahnstrecke kalkuliert. So wurde im Juni 1906 ein „Allgemeiner Kostenanschlag“ für die zu erwerbenden Grundstücksflächen aufgestellt. Er listet für alle beteiligten Gemeinden die zu erwerbenden Grundstücksflächen auf. [Kostenbeschreibung und Kostenanschlag]
In diesem Zusammenhang existiert auch eine Aufstellung der abzutretenden Flächen in der Steuergemeinde Falkenstein. Überall wird angegeben, daß es sich um Flächen handelt, die in größerer Entfernung der Ortschaft liegen. Ebenfalls liegt die Gesamtfläche für Falkenstein unter der kalkulierten Fläche im „Allgemeinen Kostenvoranschalg“ vom Juni 1906. Daraus ist zu schließen, daß es sich hier noch nicht um die endgültig ausgeführte Planung handelt. Ursprünglich war der Bahnhof neben der Staatsstrße zum Hohen Kreuz auf Höhe des heutigen Radlweges geplant gewesen. Erst spätere Korrekturen führten dazu, daß der Bahnhof dann direkt an den damaligen Ortsrand der Gemeinde verlegt wurde. Dies war auch sinnvoll, da Planungen existierten, die Bahnlinie weiter bis nach Roding zu führen. Da wäre ein Bahnhof weit vor dem Ort unpassend gewesen, wenn die Züge dann weiter direkt am Ort vorbeigefahren wären.
Auf dem nachfolgenden Plan ist zu erkennen, daß noch im Juni 1906 geplant war, den Bahnhof an der Staatsstraße zum Hohen Kreuz zu plazieren.
Bei der Zusammenstellung der Gesamtkosten vom Juli 1906 sieht man auch, daß es schon damals die wie heute üblichen Kostensteigerungen gegeben hat. Die bis zum Mai zusammengetragenen Kosten wurden offenbar als überholt angesehen und in der endgültigen Ausfertigung vom 17.Juli 1906 durchgestrichen und korrigiert. Auch beim „Allgemeinen Kostenanschlag“ vom Juni ist zum Schluß eine kleine Korrektur angebracht die eine Steigerung von ca. 9% dokumentiert
1908
Der Landtag genehmigte am 26. 6. 1908 unverändert die ihm zugegangene Regie rungsvorlage, die den Bau weiterer Lokalbahnen beinhaltete. Mit der Nummer 30 war auch der Antrag des Eisenbahnkomitees sowie der Marktgemeindeverwaltung Falkenstein dabei.!
Im Herbst des Jahres 1908 wurden zum Teil unter Polizeischutz die ersten Detailvermessungen und die Aussteckung der Bahnlinie durchgeführt. Für Polizeiaufgaben war bis km 19.1 das Bezirksamt Stadtamhof und von da bis zum Endbahnhof das Bezirksamt Roding zuständig. Im Anschluß erfolgten die Grunderwerbsverhandlungen. Nach dem Bayerischen Lokalbahngesetz von 1882 (Artikel 5) mußte der für den Bahnbau erforderliche Grund und Boden von den Interessenten kostenlos bereit gestellt werden.
Das Eisenbahnkomitee Falkenstein rief zu weiterer Geschlossenheit auf und bat die Gemeinden, ihre finanziellen Beiträge für die Grunderwerbskosten in kürzester Zeit zu entrichten. Die Einzahlungen sollten an die Marktverwaltung Falkenstein oder an die Bayerische Handelsbank-Filiale in Regensburg überwiesen werden. Gleichzeitig beriet man die finanzschwachen Gemeinden, wo sie bei Geldmangel ein Darlehen aufnehmen konnten.
1909
Manche Gemeinden kamen der Zahlungsaufforderung nur sehr langsam nach. Ob wohl der 1. 8. 1909 als Einzahlungstermin gesetzt war, hatten im Dezember 1909 manche Gemeinden immer noch nicht reagiert. Über die Zahlungen hinaus waren die Gemeinden angehalten, kostenlosen Grund für die Bahnstrecke abzugeben, Flächen zur Gewinnung von Baustoffen unentgeltlich zu stellen, Zufahrtsstraßen zu bauen, Quellen für Nutz- und Trinkwasser für den Bahnbetrieb zur Verfügung zu stellen und Warte-, Dienst- und Güterräume zu errichten oder zu unterhalten. Mit der Königlichen Eisenbahndirektion Regensburg mußten die Gemeinden Besichtigungen durchführen und die anstehenden Veränderungen von Gemeindewegen absprechen. Gab es Widerstände beim Grunderwerb, ließ die Königliche Eisenbahndirektion Regensburg Zwangsenteignungsverfahren durch das zuständige Bezirksamt ausführen.
Aber:
Die Magistrate von Wörth a.D. und Roding protestierten gegen die Bahnlinie von Falkenstein nach Wutzlhofen. Wörth schlug vor, die Walhallabahn über Wiesenfelden nach Falkenstein zu verlängern, Roding meinte, Falkenstein könne überhaupt auf eine Bahnlinie verzichten. In Roding hatte nämlich die Geschäftswelt Sorge, dass ihr viele Kunden aus der Umgebung fernbleiben würden, wenn diese erst die Möglichkeit zum Einkauf in Regensburg hätten. Aber auch in Falkenstein gab es Schwierigkeiten, weil man sich nicht auf die Lage des Bahnhofs einigen konnte.
Immerhin war die Sache jetzt so weit gediehen, dass noch im Jahr 1908 der Auftrag zur Projektierung der Bahnlinie erteilt wurde. Ab 1909 liefen die Grundstücksverhandlungen und Streckenmarkierungen, 1911 begannen die Ausschreibungen der Arbeiten für die einzelnen Baulose.
Für die gesamte Zeit der Bauausführung existiern noch die Bautagebücher. Dort ist genau aufgeführt, welche Arbeiten in welchem Zeitraum wo ausgeführt worden sind. Ebenso ist dort auch der Mehr- oder manchmal auch der Minderaufwand dokumentiert worden. Auf den enmtsprechenden Seiten befinden sich die Abrechnungen der Mehr-/Minderkosten.
Laut endgültiger Abrechnung hat der Bau der Bahntrasse 4294,93 Reichsmark mehr gekostet als veranschlagt.
Ein kleiner Ausschnit aus dem 38 Punkte umfassenden Bautagebuch des Bahnbaus und der Erkundungsbohrungen:
Es wurde natürlich nicht nur der Bahnkörper selber hergestellt. Daneben mußten auch Bahnhofsgebäude (in damaliger Sprechweise: Agenturgebäude), Nebengebäude und ein Hochbehälter in Roßbach gebaut werden.
Falkenstein als Endstation erhielt ein komplettes Betriebsgebäude für den Bahnhof mit dazugehörigem Abortgebäude, sowie eine Lokomotivremise (Lokschuppen), eine Güterhalle, zwei Dienstwohngebäude, Kohlenpferch, Hochbehälter zur Wasserversorgung des Wasserkrans und aller bahneigenen Gebäude und eine Ladeplatzrampe für die Viehverladung
Heute ist von diesen Gebäuden nicht mehr viel sichtbar. Statt dem Bahnhofsgebäude erstreckt sich das pleite gegengene Modehaus Ebnet, statt der Güterhalle steht ein Geschäftshaus, der Lokschuppen wurde renoviert und ist jetzt Wohnhaus und ausstellungshalle. Von den zwei Dienstwohngebäuden ist vom kleineren der Kern noch erhalten aber nicht mehr erkennbar, da ein Komplettum- und vor allem -anbau. Einzig das größere steht noch nahezu unverändert da, wie es 1913 errichtet worden ist (Übrigens, das Hintergrundbild auf jeder Seite zeigt dieses Haus kurz nach der fertigstellung).
Die Bauausführung
Große und fremde Arbeitertruppen brachten in die vom Bahnbau betroffenen Dörfer manche Unruhe. Zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit wurden bereits 1910 oberpolizeiliche Gesetze erlassen. Das Königliche Bezirksamt teilte den Ortsgendamerien diese Vorschriften am 17.7.1912 mit. Demnach durften am Eisenbahnbau keine Personen unter 16 Jahren, keine Arbeiterinnen, Personen ohne Impfzeugnis und „Zigeuner oder nach Zigeunerart umherziehende Personen“ angestellt werden. Zugelassen war jeder arbeitsfähige Inländer oder Ausländer, sofern er gesund war und die „notdürftige“ Kleidung hatte.
Auch die Arbeitsaufnahme war geregelt, wobei ein Bahnarzt den Gesundheitszustand des Arbeiters vorher überprüfen mußte. Der Arbeiter bekam von der Ortspolizeibehörde eine vom Arbeitgeber abgestempelte Kontrollkarte ausgehändigt. Der Arbeitgeber hatte in einem Verzeichnis alle Arbeiter aufzulisten und dieses bei Aufforderung den Polizeibeamten vorzulegen. Die Arbeiter mußten die Kontrollkarten ständig mit sich führen.
Festgelegt war auch die Beschaffenheit der Unterkunftsräume, die Schaffung von Trinkgelegenheiten und die Errichtung von Toiletten.
Die Arbeiter hatten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit den dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten.
Für den gewerbemäßigen Verkauf von Speisen und Getränken auf den Bauplätzen galten die Vorschriften der Gewerbeordnung und der Beschlüsse des Königlichen Staatsministeriums. Die Polizei konnte in Ausnahmefällen das Feilbieten geistiger Getränke vorübergehend gestatten.
Die Einhaltung dieser Bestimmungen wurde u. a. von Anton Forster, Sergeant der Gendameriestation Donaustauf, im Bauabschnitt östlich der Gemeinde Schönberg überwacht. Der Gendamerie Hauptstation Stadtamhof meldete er, daß er die Strecke jeden 2. oder 3. Tag überprüfe. Ausschreitungen unter den 90 Bahnarbeitern habe es bis auf eine Ausnahme nicht gegeben. Hierzu sei es gekommen, als der verheiratete Taglöhner Franz R. aus Reinhausen, geboren in Keilberg, von dem Aufseher Johann F. aus Schönberg entlassen worden war. R. war dennoch wieder auf der Baustelle erschienen und habe der Aufforderung, sich zu entfernen, nicht Folge geleistet. Der als derb bekannte Aufseher habe daraufhin nach einer herumliegenden Baumwurzel gegriffen und den Aufmüpfigen mit Körperschlägen vertrieben. Darauf habe der Geschlagene aus einer gewissen Entfernung mit einem feststehendem Messer dem Aufseher gedroht, was diesen wiederum nicht allzu sehr beeindruckt habe.
Der Polizeibeamte hielt außerdem fest, daß er am Ortsausgang von Schönberg keine Toiletten auf der Baustelle vorgefunden habe und die Arbeiter deshalb ihre Notdurft im angrenzenden Wald verrichteten. Zu den gegebenen Arbeitspausen würde Bier und Brot verkauft werden, Wasser würde niemand zu sich nehmen.
Der Wachtmeister Georg Übelmayer von der Gendameriestation Kürn berichtete am 25.7.1912 über einen Eisenbahnbauabschnitt bei Bernhardswald, daß dort 22 Arbeiter und in der Gemeinde Lambertsneukirchen 21 Arbeiter beschäftigt seien. 40 Italiener würden demnächst hinzukommen. Die auswärtigen Arbeiter seien teils in Gasthäusern und teils in Privatwohnungen untergebracht. Klagen und Beschwerden lägen nicht vor.
Der Eisenbahnbau brachte für die Gasthäuser, Lebensmittelhändler und privaten Hausbesitzer erhebliche Umsätze, da den Bahnarbeitern gute Löhne ausbezahlt wurden. Die Tageslöhne waren in der Gegend seit dem Bahnbau allgemein von drei auf vier bis fünf Mark gestiegen.! Ein Falkensteiner erinnerte sich an jene Zeit:
„Nun blühte das Geschäft in dem sonst so stillen Falkenstein auf. In den Gasthäusern herrschte mittags und abends Hochbetrieb. Jede Gastwirtschaft zog sich einen Stamm von Gästen. In der Hauptsache gab es Lunge mit Knödel zu 30 Pfennig oder eine Sülze zum selben Preis. Abends aß man Backsteinkäse oder einen Hering und trank dann mancher über den Durst, kostete die Halbe Bier doch nur 10 Pfennig. Dabei kam es auch nach durchzechten Nächten zu mancher Schlägerei, was eben auch zum Bahnbau gehörte.“
Um gegen die zu erwartenden „Raufexzesse“ der „aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Arbeiterschaft“ mit aller Autorität vorgehen zu können, ersuchte der Bürgermeister von Wenzenbach vor Beginn der Bauarbeiten im Juni 1912 um die Einrichtung einer Gendameriestation in der Gemeinde Schönberg für die Zeit des Bahnbaus. Dieses Gesuch wurde jedoch von oberer Stelle verworfen mit der Begründung, es sei nicht Aufgabe der Polizei, nach der Sperrstunde in den Gasthäusern die „Hausknechtsdienste“ der Wirte zu übernehmen. Die Polizei könne zwar bei der Auszahlung der Löhne anwesend sein, aber für die Ordnung unter den Arbeitern hätten die Bauführer zu sorgen.
Auch unter den Wirten brach mancherorts ein Konkurrenzkampf aus. So beschuldigte z. B. der Wirt einer Arbeiterkantine in Wenzenbach eine Marketenderin, daß sie an Sonn- und Feiertagen und an jedermann verbotenerweise Bier verkaufe.
Während die Staatsbahn die Gleisverlegung selbst übernahm, betraute sie für die Bauausführung der Hochbauten und der Bahnplanierung vier Firmen. Es waren dies:
Anton Wengerter, München
Martin Hartmann, Bamberg
Friedrich Scheuffele, Regensburg
Leonhard Moll, München
Zum Schutze der Bauarbeiten mußte im Laufe des Jahres 1913 die Regierung der Oberpfalz und von Regensburg mit oberpolizeilichen Vorschriften drohen, denn es kam immer wieder zu Verstößen: Im September 1913 warnte das Königliche Bezirksamt Stadtamhof die Bevölkerung von Hauzenstein vor weiteren Anschlägen auf die neugebaute Strecke. Es waren nämlich faustgroße Steine auf die Schienen gelegt worden, die die Arbeiterzüge und Arbeitsmaschinen zum Entgleisen bringen konnten. Auch wurden die neuen Bahnanlagen fortgesetzt beschädigt, außerdem Signalscheiben eingeworfen, Weichenhebel umgestellt und Baumaterialien zertrümmert. Diese Taten wurden zum Teil von Kindern verübt.
Kosten
Insgesamt kostete das Bauvorhaben nach Abschluß 2.455.017 Mark, bzw. 69331 Mark pro Kilometer Bahnstrecke. Hierin enthalten waren die Ausgaben sämtlicher Erd-, Kunstbau-, Wegbefestigungs- und Gleisbettungsarbeiten sowie der Hochbauten und des Umbaues der Gleis- und Stellwerksanlage in Wutzlhofen, doch die vielen Eigenleistungen der Gemeinden und mancher Privatleute, wie z. B. die kostenlosen Schotterlieferungen des Steinbruchunternehmers Schwinger aus Roßbach sind in diesem Betrag nicht berücksichtigt.
Die Eröffnung
Anders als beim kläglichen Rückgang mit Stilllegung standen am Anfang erhebliche Erwartungen. Am 5. Oktober 1913 berichtete der Regensburger Anzeiger: „Der Verkehr auf der neuen Lokalbahn nach Falkenstein wird voraussichtlich ein ganz bedeutender werden.
„Die ganze Bevölkerung des Vorwaldes freut sich schon auf die bevorstehende Eröffnung der so lang ersehnten Bahn, die einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung für diesen bisher so stiefmütterlich behandelten Teil unseres Bayernlandes bringen wird.“
Es wird weiter berichtet, dass jetzt die Station Hetzenbach (Hirschbühl) als Luftkurort sicher eine Zukunft habe. Es sei dort ein neues Gasthaus bereits im Rohbau fertig und sogar ein Aussichtsturm werde an-gebaut.
Leider ist Hetzenbach nicht Luftkurort geworden, hat heute aber ein sehr schönes Gasthaus zu bieten (Lindenhof) und ist deshalb ein lohnendes Ziel für Radwanderer, die aus dem Luftkurort Falkenstein auf dem Radlweg Richtung Regensburg fahren (siehe Radlweg).
Der Tag der Eröffnung des Eisenbahnverkehrs (22.12.1913) war gleichzeitig das Ende des Eisenbahnbaus in Vorwaldgebiet. Trotz Bemühungen der Stadt Cham und vieler Gemeinden kam der Bahnbau von Falkenstein nach Cham nicht mehr zu Stande.
Der Beginn des 1. Weltkrieges im August 1914 machte nicht nur dieses Vorhaben zunichte, sondern brachte unsägliches Leid, Tod und Zerstörung.