Vorgeschichte

Wie es damals war

Notwendige Reisen in die nähere oder weitere Umgebung hatten die Menschen bis zum Ende des 19. Jahdts. zu Fuß, auf einem Fuhrwerk oder in einer Postkutsche unternommen. Fahrräder waren lange Zeit noch unerschwinglich, um 1900 gab es in Falkenstein nur neun Fahrräder mit Vollgummireifen. Die erste Postkutsche hatte ihren Dienst zwischen Falkenstein und Roding um 1875 aufgenommen. Eine einspännige zweisitzige Kutsche verließ am frühen Morgen Falkenstein und kam spät am Abend zurück. Um 1890 wurde eine Postlinie nach Straubing eröffnet. Die zweispännige Kutsche für sieben Personen fuhr ebenfalls früh am Morgen in Falkenstein ab und erreichte je nach Witterung nach vier bis fünf Stunden Fahrt den Zielort. Im Winter kam es vor, daß jüngere Fahrgäste im Saulburger Forst aussteigen und schieben mußten. Die dritte Postlinie verband um 1890 täglich einmal Falkenstein und Cham. An einem Tag nach Regensburg und zurück zu gelangen, war fast unmöglich. Entweder mußte man zuerst nach Roding und von dort mit dem Zug über Schwandorf nach Regensburg fahren, oder man versuchte über Donaustauf ( = 25 km) mit der Walhalla-Bahn nach Stadtamhof zu kommen. Als ab 1901 die Walhalla-Bahn nach Wörth a.D. weiterlief, konnten die Falkensteiner eine Postkutsche dorthin nehmen. Ab 1905 verkehrten auf dieser Strecke im Sommer zwei Postkutschen, im Winter eine.

Ein Falkensteiner berichtet über die Fahrt: „Früh um zwei Uhr fuhr die Postkutsche von der Posthalterei in Falkenstein ab, damit sie noch rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges in Wörth eintraf. Gegen fünf Uhr erreichte man den Bahnhof in Wörth und war dann gegen acht Uhr morgens in Stadtamhof. Abends gegen 18 Uhr fuhr man von dort wieder ab und gelangte gegen 20 Uhr in Wörth an. Dann begann wieder die Fahrt in der auf den schlechten Straßen bedenklich schaukelnden Postkutsche, die nun wegen des zu überwindenden Höhenunterschiedes von fast 300 m meistens länger als drei Stunden dauerte. Man schätzte sich glücklich, wenn man dann gegen 24 Uhr (halb gerädert) in Falkenstein wieder eintraf. „

Den Transport von Gütern übernahmen damals die örtlichen Botenfuhrwerke. Max Niebauer fuhr jeden Freitag nach Regensburg, stellte über die Nacht im Schildbräu in Stadtamhof unter und kehrte am folgenden Tag zurück. Auf der Hinfahrt hatte er landwirtschaftliche Produkte, auf der Rückfahrt Güter aller Art für Gewerbe und Privatgebrauch geladen.

Den Viehtransport betrieben meist ortsansässige Metzger. Sie brachten Schweine, Schafe und Kälber auf Wägen zu den Schlachtviehmärkten nach Regensburg, das Großvieh dagegen trieben sie. Die Viehtriebe verließen Falkenstein abends, rasteten unterwegs in Forstmühle und zogen dann weiter nach Regensburg.

Für alle Gewerbetreibenden und Privatleute muß die Erschließung des Vorderen Bayerischen Waldes durch die Eisenbahn eine bedeutende Wende gebracht haben. Denn die Lokalbahn Falkenstein-Wutzlhofen holte die Menschen und die Güter aus dem weißen Fleck, der zwischen den Bahnlinien Regensburg-Schwandorf, Schwandorf-Furth im Wald, Bodenwöhr-Nittenau, Straubing-Miltach-Cham und Stadtamhof-Donaustauf-Wörth a.D bis dahin lag.

Dieses Verkehrsgebiet umfaßte insgesamt 340 qkm, wovon 20% Waldgebiet waren. Auf einem Quadratkilometer lebten 50 Einwohner, was als „ziemlich dicht“ galt. Als größerer Ort hob sich Falkenstein mit 668 Einwohnern heraus.

Die Petition von 1896

Das Jahr 1879 war für Falkenstein schlecht gelaufen. Es wurde nämlich der Marktgemeinde am 2. April das Landgericht weggenommen und dem Amtsgericht Roding einverleibt. Der Markt Roding wurde erheblich aufgewertet, Markt Falkenstein aber verlor einiges an zentraler politischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Der seit 1872 „regierende” Bürgermeister Alois Dietl musste erhebliche Beeinträchtigungen der gesamten Wirtschaftsstruktur registrieren. Gegen Ende seiner Amtszeit und unter seinem Nachfolger Josef Pammer (ab 1888) versuchten deshalb engagierte Falkensteiner, einen Ausgleich für die entstandenen Verluste zu finden.

So kam die Idee auf, sich eine Eisenbahnlinie zur Anbindung an benachbarte Gemeinden und Städte zu wünschen, um Güter in modernster Art und großem Umfang wegschaffen und andere für den Eigenbedarf heranschaffen zu können. Dazu wurde ein Eisenbahnausschuss gebildet.

Aber erst 1895 bekam die Initiative Auftrieb, und es wurde Anfang 1896 ganz offiziell das Bahnbaukomitee gegründet, das „Eisenbahn-Comitee Falkenstein”. Peter Heigl schreibt in seinem Bockerl-Buch, dass von nun an „untertänigste“ und „gehorsamste“ Bittgesuche „in tiefster Ehrfurcht“ von Falkenstein nach München gingen.

Am 21. März 1896 ging die erste Petition im Namen des „Landwirtschaftlichen Bezirkes Falkenstein“ an den Landtag (ausgefertigt am 17. März). Erbeten und vorgeschlagen wurde eine Streckenführung von der Wallhallastraße in Regensburg über Donaustauf, Lichtenwald, Forstmühle, Süßenbach und Schillertswiesen nach Falkenstein.

In der Plenarberatung des Landtags am 1. Juni 1896 wurde die Streckenführung jedoch als zu lang und technisch zu schwierig gewertet. Zwar wurde die Petition aus Falkenstein befürwortend an die Regierung weitergeleitet, aber dann doch nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Die Verhandlung der Petition

Die Petition mit der „unterthänigst gehorsamen Bitte um Erbauung einer Lokalbahn“ war am 21. März 1896 durch das „Bahnkomitee Falkenstein“ unter der Leitung von Hauptlehrer August Dürr in Richtung Königliches Staatsministerium auf den Weg gebracht worden.

In Dokumenten und Zeitungen findet man verschiedene Schreibweisen für das Bahnkomitee, meist Eisenbahn-Komitee, aber auch mit „C“ geschrieben. Im „Stenographischen Bericht“ über die „Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten“ gilt die Schreibweise „Bahncomité“. Der Anfangsteil dieses Berichts über die „Zweihundertdreiundneunzigste öffentliche Sitzung“ der Kammer am 1. Juni 1896 ist hier  reproduziert.

Abstimmung in der Abgeordnetenkammer

Es bleibt zu berichten, wie die Abstimmung über die Petition ausging.

„Präsident: Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses geht dahin: Die Kammer wolle beschließen, die Petition des Bahncomités Falkenstein der k. Staatsregierung zur Würdigung hinüberzugeben. Ich bitte diejenigen Herren, welche diesem Antrage die Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Es steht die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.“

Der Antrag der Falkensteiner wurde also an die Regierung weitergeleitet, fand dort aber kein Gehör, sondern verschwand erst einmal in den Schubladen. Es gab hiernach auch Gegenwehr aus Wörth, Roding und Nittenau sowie Gegenpetitionen, um das Falkensteiner Vorhaben zu verhindern. Das Bahnkomitee Falkenstein musste sich also etwas einfallen lassen und verfasste in den Folgejahren weitere Petitionen.

Anfang 1900 veranlassten schließlich die Behörden in München, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die gewünschte Lokalbahn begonnen wurden. Dazu gehörte die Aufforderung des „Koenigl: Bayerischen Staatsministeriums des Koenigl: Hauses u. des Aeussern“, datiert 1. März 1900.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Falkenstein machte sich also daran, eine Tabelle der zu transportierenden Wirtschaftsgüter zu erstellen.

Heraus kam eine Liste der möglichen Ein- und Ausfuhren des Bayerischen Vorwaldes im Raum Falkenstein

Die Tabelle gibt für 47 Gemeinden im Vorwald, von 1. Buchendorf, 2. Wald bis 47. Kalsing, Zahlen für A. Einfuhr und B. Ausfuhr. Alle Angaben sind in „Zentner“, bei Holz auch in „Ster“ und „Stämme“. Über den Zeitraum ist nichts angegeben.
Interessante Zahlen sind z.B.

A. Einfuhr
B. Ausfuhr
7. Beucherling 6 000 Zentner 85 000 Zentner (vor allem Steine)
25. Blauberg 2 500 Zentner 500 000 Zentner (vor allem Granit)
37. Michelsneukirchen 4 000 Zentner 80 400 Zentner (vor allem Steine)
38. Falkenstein 16 250 Zentner 20 000 Zentner (vor allem Ziegel!)

Falkenstein war also vor allem bei der Einfuhr stark: Getreide, Mehl 3150 Zt; Vieh 1100 Zt; Eisen, Werkzeug usw. 8500 Zt; Kaufmannsgüter 3500 Zentner. Die Ausfuhr des Vorwald-Gebietes war wesentlich durch Steine und Granit bestimmt.

Als Gesamtzahlen (Summa) in Zentnern bzw Ster/Stämme sind angegeben:

A. Einfuhr
B. Ausfuhr
Getreide, Mehl
29 590
Scheitholz (in Ster)
62 000
Vieh
21 950
Bauholz (in Stämme)
73 320
Kartoffeln, Rohmaterial
10 100
Schnittholz, Bretter, Holzdraht
29 050
Eisen, Werkzeug, Kalk,…
125 750
Getreide
167 330
Kaufmanns-Güter
53 225
Vieh
104 420
Kartoffel
65 900
Viktualien, Eier, Schmalz
21 500
Papier und Holzstoff
943 310
Summa
240 615
Summa
1 302 460

Hartnäckigkeit und langer Atem

Antwort des „Kgl. Staatsministerium des Kgl. Hauses u. des Aeussern“ vom 22. Juni 1903

Der Einsatz und die Hartnäckigkeit des Bahnkomitees wurden jedoch weiterhin nicht belohnt, obwohl Eingabe auf Eingabe nach München gesendet wurde. Und am 25. Februar 1903 erklärte sich Falkenstein sogar bereit, die Kosten der Projektierung für die Lokalbahn zu übernehmen. Am 22. Juni 1903 antwortete das „Kgl. Staatsministerium des Kgl. Hauses u. des Aeussern“ mit der Nummer 4366 und in feinster Sütterlin-Handschrift an das Eisenbahnkomitee Falkenstein, dem Komitee-Vorsitzenden Herrn August Dürr mit einem dreiseitigen Brief.

Der abschließende Absatz war aber negativ: „Im übrigen kann nicht unbemerkt bleiben, daß mit der vor kurzem erfolgten Eröffnung der Nebenbahn Donaustauf-Wörth a/D. die Verkehrsverhältnisse der Falkensteiner Gegend eine nicht unwesentliche Besserung erfahren haben. Ebenso wird die in näherer Aussicht stehende Verwirklichung des Lokalbahnprojektes Bodenwöhr-Nittenau eine derartige Verbesserung für die Gegend um Roßbach zu Folge haben.“

So schleppte sich die Angelegenheit erfolglos dahin. Die Original-Akte ist voll mit Bittschreiben, Notizen, Eingaben, Antworten, Hinweisen, Plänen usw., ist fast 7 cm dick. Dazu kommen Ordner voller Zeitungsartikel. Offenbar war das Bahnkomitee ziemlich am Ende, bis man am 6. Dezember 1905 den Benefiziat Kilger bei einer Komiteeversammlung überredete, das „wenig erfreuliche Amt der Vorstandschaft auf sich zu nehmen“. Es wird weiter berichtet, dass der Benefiziat in seiner ersten Mitteilung an die Staatseisenbahn gleich die Abschrift eines Schreibens an die Abgeordnetenkammer beilegte, in welchem dargelegt wurde, dass Falkenstein und 46 andere Gemeinden in einer wahren Eisenbahnwüste lebten. „Dieser Geistliche aus Heilbrunn brachte endlich den nötigen Schwung in die Sache“. Die Zusammensetzung des Komitees unter Joseph Kilger ist nachfolgend gezeigt.

Am 1. Mai 1907 schrieb ein „K. Ministerialdirektor“ aus dem Generalsekretariat des K.B. Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten unter dem Betreff: Audienz

„Zur Vorstellung vom 26. April 1907
Der Herr Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten ist bereit, eine Abordnung des Eisenbahnkomitees Falkenstein am Montag, den 6.des Monats Vormittags 11 Uhr zu empfangen.“

Der Brief im Original

Das Ergebnis führte tatsächlich dazu. daß der Bahnbau in greifbare Nähe rückte (siehe dort)